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Was müssen wir für die Zukunft lernen?


Titel-DidaktischesKonzept

Als Schule für Zusammenarbeit, die nach vorne blickt, interessieren uns drei Fragen: Wie wird Zusammenarbeit sich in Zukunft entwickeln? Welche Fertigkeiten werden wir dafür benötigen? Wie bringen wir diese anderen Menschen bei? Es geht also um Didaktik – die Wissenschaft vom Lehren und Lernen. Sie findet überall dort statt, wo Lehrende und Lernende aufeinandertreffen und schließt die Bildungsinhalte sowie die Lernprozesse ein.

 

Ein Blick in die Zukunft

Auch wenn der Blick weit nach vorne nach wie vor vage ist, gibt es Prognosen und Trends, die eine mögliche Zukunft nachvollziehbar umreißen. Wir haben uns im Kern auf die Prognosen des Millennium Projects konzentriert, weil hier Wissenschaftler aus aller Welt ehrenamtlich zusammenarbeiten, aber auch weil andere Zukunftsforscher die enthaltenen Szenarien im Groben unterstützen.

 

  • Das große Ganze
    Das Millenium Project hat 15 grundsätzliche Herausforderungen definiert und beurteilt deren Entwicklung. Dazu gehören z.B. Felder wie Umweltschutz, Frieden und Gesundheit…aber auch Bildung, Mitbestimmung und Kooperation. Das Ergebnis: Die Welt verbessert sich auf diesen Gebieten weiter, aber die Entwicklung verlangsamt sich. Die kritischen Trendprognosen für Umweltverschmutzung, Versorgung, Beschäftigung und Gewalt könnten in Katastrophen enden, die vermeidbar wären – aber zu viele der notwendigen Entscheidungen werden nicht getroffen. Denn weil die Herausforderungen auf globaler Ebene voneinander abhängig sind, bedarf es globaler Vorausschau und Entscheidungsfindung für ihre Lösung. Und beides findet nur selten statt…

 

  • Die Zukunft der Arbeit
    Automatisierung, Wissensarbeit und Globalisierung sind weiterhin die großen Treiber. Beschäftigungen in der manuellen Verarbeitung vor Ort werden durch die fortschreitende Automatisierung zunehmend in die Wissensarbeit verlagert: Wenn Maschinen immer mehr Tätigkeiten übernehmen, braucht es immer mehr Menschen, die diese Maschinen konstruieren und betreuen: Wissensarbeiter. Diese sind Eigentümer ihrer Produktionsmittel (das Wissen im Kopf und ein Computer reichen aus) und können ihre Leistung von überall anbieten. Dadurch sind die organisatorischen Strukturen nun frei und wechselnd statt fest und hierarchisch. Das geht gut einher mit der Globalisierung, denn es macht multinationale Teams in wechselnder Zusammensetzung quasi auf Knopfdruck möglich. Leistung kann von überall auf der Welt angeboten werden, Arbeitskraft kann sofort und überall eingesetzt werden.

    Die Struktur der Arbeit verändert sich also. Hierarchien werden flacher, Erwerbsformen flexibler, Arbeit löst sich von der Präsenz. Gender Shift, demographischer Wandel und die komplexe, globale Wirtschaftswelt befeuern die Improvisation. Nicht nur bei den Einzelnen, sondern auch in den Chefetagen. Doch insgesamt kommen die etablierten Strukturen nicht hinterher. Staatliche Systeme und große Wirtschaftsunternehmen können nicht schnell genug auf den Wandel reagieren, weil ihre Strukturen zu träge sind. Die Institutionen versagen. Arbeitslosigkeit und gleichzeitiger Fachkräftemangel sorgen für Unruhe. Das Problem ist nicht zu wenig Arbeit, sondern dass der Arbeitskräftebedarf sich zu schnell in andere Bereiche verlagert.

    Das Individuum wird zur treibenden Kraft: Denn der Einzelne ist flexibler als die großen Systeme. Er kann und muss schneller umsteuern. Die befragten Experten vermuten, dass die Zukunft der Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit “von unten” gestaltet werden wird: Weg vom Erlernen eines Berufs in großen Einrichtungen, hin zur Selbstentwicklung eines individuellen Portfolios von Fähigkeiten und Kompetenzen. 

  • Was der Einzelne lernen muss
    Ein Großteil wissensbasierter Arbeit wird in Zukunft wohl in Projektform abgewickelt. In multinationalen Teams wechselnder Zusammensetzung, die immer öfter nur virtuell zusammenkommen. Das zieht häufigere Berufswechsel, auch von einer Arbeitsform in die andere, z.B. mal selbständig, mal angestellt, nach sich. Hier kommt es neben einer fachlichen Spezialqualifikation vor allem auf Meta-Kompetenzen an, die es zum einen ermöglichen, sich an raschen Wandel anzupassen und zum anderen auf verschiedenen Feldern relevant sind.

    Es werden vor allem kritisches Denken, Lernfähigkeit, selbstständiges Arbeiten und unternehmerische Kompetenzen eine Rolle spielen. Denn um in unstrukturierten Arbeitsumgebungen gute Ergebnisse produzieren zu können, gilt es, eigene funktionierende Strukturen zu schaffen – in sich selbst. Zudem spielen in sich ständig wechselnden, diversen Teams Emotionale Intelligenz und Kommunikation eine große Rolle.

    Das alles wirft den Einzelnen letztendlich auf sich selbst zurück: Wer bin ich – und wer will ich sein? Lebenslanges Lernen und Selbstreflexion wird in Zukunft noch mehr ein notwendiger Teil der Arbeitsqualifikation von Wissensarbeitern.

 

Wie unsere Bildungsinhalte zur Zukunft passen

Die Zukunftsprognosen sind nicht so überraschend. Die sogenannte VUCA Welt ist schon seit den späten 90ern ein Thema: Alles wird komplexer und weniger planbar. Daher gibt es inzwischen einige wohl überlegte und erprobte Antworten auf diese Szenarien der Zukunft.

 

  • Agile Prozesse für ständigen Wandel
    Wir fokussieren auf agile Rahmenmodelle. Denn agile Methoden sind dafür gemacht, mit häufigen Abweichungen und Änderungen umzugehen. Sie reagieren flexibler auf volatile Rahmenbedingungen als klassische Strukturen – ohne dabei Makulatur zu werden.

  • Teams mit der Kraft der Unterschiedlichkeit
    Wir wollen den Mitgliedern eines potenziellen Hochleistungsteams die nötigen Fertigkeiten beibringen, ihr Teampotenzial voll auszuschöpfen. Im Zentrum steht dabei für uns die Kollaboration als schöpferischer Prozess, der eine neue gemeinsame Bedeutung für Individuen mit komplementären Fähigkeiten schafft, um Probleme gemeinsam und koordiniert zu lösen. Ein Team von Experten soll möglichst gute Arbeitsergebnisse produzieren, indem es innere Reibungen in Vorteile verwandelt: Statt in Konflikten, äußert sich die Unterschiedlichkeit der Mitglieder in mehr Rundumblick und Lösungsmöglichkeiten.

  • Starke Teammitglieder die mitdenken
    Auch wenn moderne Arbeitsprozesse, wie zum Beispiel Scrum, einen guten Weg bereiten, ist das große Ziel jedoch erst mit dem individuellen Wachstum der einzelnen Teammitglieder erreichbar. Denn die Ideen hinter den agilen Prozessen erfordern viel Selbstverantwortung und Selbstorganisation. Autonomie hat ihren Preis. Die Teammitglieder müssen in der Lage sein, die fehlende äußere Orientierung in sich selbst und im Dialog mit ihren Teamkollegen zu finden.
 


Wie gutes Lernen funktioniert

Wenn es um “gutes Lernen” geht, ist die Hattie-Studie von 2009 noch heute wegweisend. Sie enthält die Zusammenführung der Ergebnisse von über 800 Metaanalysen, um die Frage zu beantworten: „Was bringt wirklich etwas in Bezug auf den Lernerfolg?“. Im Kern kommt die Studie zum Ergebnis, dass von den unterrichtsseitig beeinflussbaren Faktoren, die Lehrperson und Struktur des Unterrichts den größten Einfluss haben.

 

  • Lernen als expliziter und transparent gemachter Zweck macht Lernen zum gemeinsamen Projekt. Man widmet sich in der Gruppe von Anfang an gemeinsam derselben Aufgabe. Es gibt ein Ziel mit klarem Praxisbezug und klarem Weg, der als Gruppe beschritten wird. Die Peers lernen gemeinsam und vermitteln sich auch gegenseitig Wissen. Die Lehrperson gibt Feedback und Unterstützung. Wie weit man auf dem Weg zum Ziel gekommen ist und welche Inhalte wie gut beim Fortschritt helfen, wird regelmäßig gemeinsam bestimmt. Umso kollaborativer die Umgebungen, umso mehr wird die Verantwortung für den Lernprozess an die Lernenden weitergegeben.

  • Neue Informationen müssen relevant sein, damit sie gut erlernt werden. Entscheidend sind also Situationen, in denen ein konkreter Lernbedarf besteht: Die Lernenden benötigen das Wissen ganz konkret in der Praxis. In diesen Bedarfssituationen gelingt das Lernen am Besten, da die hohe Aufmerksamkeit bzw. Relevanz, neue Informationen, neurologisch am besten verankert. Dafür müssen die Lerninhalte als kleine und kleinste Lerneinheiten dann verfügbar sein, wenn sie benötigt werden und dies muss in einer Form geschehen “die passt“. Ständige Anregung zum Weiterdenken und Vernetzen, z.B. durch verschiedene Fragetechniken und Reflexionen, steigern die kognitive Aktivierung zusätzlich. 

  • Lernen ist ein individueller Prozess: Trotz guter Tipps für die Rahmenbedingungen ist der Lernprozess also hoch individuell und schwer vorhersehbar an das praktische Umfeld gekoppelt. Wann welche Lerninhalte genau benötigt werden, ist nur grob planbar: Der Lernprozess selbst ist daher großteils agil. Zudem ist Erlerntes keine genaue Kopie der Erfahrung, sondern wird von den Lernenden stark abstrahiert und interpretiert: Die geistigen Abbilder von der Welt und damit auch die Struktur des Wissens bleibt eine individuelle Konstruktion jedes Lernenden.

 

Wie unser Trainingsprozess dazu passt

Während viele Scrum Master sich als Facilitator verstehen, also “nur” den Rahmen halten, damit das Team selbst aus seinen Fehlern lernt, sehen wir uns als Trainer, Berater und Coaches. 

 

  • Lernen und Lernziele sind Teil agiler Frameworks
    Wir haben das große Glück einen klaren und eingegrenzten Themenfokus zu haben: Gute Zusammenarbeit. D.h. wir arbeiten mit Teams an diesem, allen Teammitgliedern transparentem Ziel. Unsere Arbeit an der Zusammenarbeit orientiert sich zudem meist an einem etablierten Rahmenmodell, z.B. Scrum. Damit sind die offensichtlichen Lernziele transparent und weitere ergeben sich Stück für Stück als Subziele. Der Coach / Trainer hat eine explizite Coaching-Rolle und ist  Teil des Teams. Das Lernen wird so zu einem transparenten Teil der Gruppenaktivitäten und kann regelmäßig auch selbst als Thema adressiert werden. 

  • Vorwärtsstolpern: Lernen während des Tuns
    Wir lehren “on demand” und “on the go” durch begleitendes Coaching, d.h. der Coach begleitet das Team in den Kernprozessen und greift ein, wenn es sinnvoll ist. Der Eingriff wird durch Nachfrage des Teams oder durch die Wahrnehmung des Coaches initiiert. Lehrinhalte werden so direkt bei Bedarf vermittelt: Das Team redet aneinander vorbei oder verliert das Ziel des Meetings aus dem Auge – der Coach macht das transparent, gibt Tipps, erinnert an das schon Gelernte oder an die Lernziele. Zudem kann man das Erlernte gleich in der Praxis ausprobieren. Zusätzlich sind intensive Team-Retrospektiven ein integraler Bestandteil des Scrum Prozesses und helfen beim Vertiefen der Inhalte.

  • Die Gruppe bewegt sich nur wenn sich die Einzelnen bewegen
    In den Retrospektiven können die gleichen Themen immer wieder aus anderen Winkeln angefasst, betrachtet und untersucht werden, damit sie Stück für Stück individuellen Sinn erzeugen können. Unterstützt wird der Lernprozess meist durch niederschwellige Individual-Coachings: Einzelpersonen haben Verständnisfragen, trauen sich beim Coach Spannungen anzusprechen und hinterfragen ihr eigenes Handeln. Der Coach steht inspirierend im Chat, in Küchengesprächen oder bei Spaziergängen in der Mittagspause zur Verfügung. In diesen Momenten der Selbstreflexion können Themen individuell behandelt und untersucht werden.

 


Abschließend lässt sich sagen, dass die Anforderungen der Zukunft nicht wirklich neu sind. Seit mehreren Jahrzehnten beschäftigen sich die Experten mit diesen Szenarien. Das Neue ist: Sie treten ein. Die Zukunft ist jetzt. Waren agile Vorgehensmodelle und der reflektierte Wissensarbeiter bisher eher schicke Trends, ist uns spätestens durch den Ausfall von Lieferketten und politischen Unruhen klar geworden, dass wir längst in diesen Zukünften angekommen sind.


 

  • The Millennium Project. https://www.millennium-project.org/
  • Glenn, J. C., Florescu, E. & Team, T. M. P. (2017). State of the Future 19.1 (1. Aufl.). The Millennium Project.
  • Daheim, C. & Wintermann, O. (2016). 2050: Die Zukunft der Arbeit. In https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/2050-die-zukunft-der-arbeit#detail-content-4730-5. Bertelsmann Stiftung.
  • Fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit. (2022, 11. November). Zukunftsinstitut, 2021. https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/fuenf-thesen-zur-zukunft-der-arbeit/
  • Hattie, J. (2009). Visible Learning: A Synthesis of Over 800 Meta-Analyses Relating to Achievement. SAGE Publications.

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